Ines von Ketelhodt, Poissons (2019) |
Opening van de tentoonstelling over Ines von Ketelhodt, Offenbach, Klingspor Museum, 31 maart 2019 (Foto: Sabine Golde) |
Meine Damen und Herren,
bitte verzeihen Sie mir, wenn ich, dessen Muttersprache Niederländisch ist, mich äußere in einer mir fremden Sprache, einer Sprache, die Sie aus meinem Mund wahrscheinlich nicht als die Sprache von Sloterdijk und Günderode erkennen können, um nur einige der Autoren zu nennen, deren Worte Ines von Ketelhodt in ihren Künstlerbüchern verwendet hat.
Über die Gestaltung der Künstlerbücher von Ines von Ketelhodt gibt es vieles zu sagen – wie Sie sehen können im wunderschön gestalteten Katalog zu dieser Ausstellung. Stefan Soltek, Ruth Rogers, Viola Hildebrand-Schat und ich schreiben über die 64 Bücher, die von Ketelhodt seit den Achtzigerjahren geschaffen hat. In Zusammenarbeit mit ihrem Mann Peter Malutzki entstand die Zweite Enzyklopädie von Tlön, für die Hälfte davon – fünfundzwanzig Bände – ist Ines verantwortlich.
Das gesamte Werk ist gekennzeichnet durch das Zusammenspiel von Text und Bild.
Auf den ersten Blick geht etwas sehr Seltsames vor sich. Ein zufälliger Leser wird denken, dass diese Bilder überhaupt nicht erkennbar sind, schlimmer noch, es scheint, als ob alle Fotos bewegt werden, als ob von Ketelhodt ihre Kamera nicht stillhalten kann. Könnte sie nicht bessere Bilder finden?
Ines von Ketelhodt, Times Square (2014) |
Und dann diese Texte! Du kannst kaum ein Wort lesen! Sie werden transparent gedruckt, oder es gibt nur wenige Buchstaben auf einer Seite, fast keine Worte, keine Sätze. Was sollte ein Durchschnittsleser, ein Bibliotheksbesucher, ein Lesesüchtiger mit solchen Büchern anfangen?
Kurz gesagt, dieser Leser muss eine Art Opernbesucher werden wollen.
Kurz gesagt, dieser Leser muss eine Art Opernbesucher werden wollen.
Ines von Ketelhodt, Times Square (2014) |
Das Künstlerbuch ist, vielleicht mehr als andere Buchformen, eine Bühne, auf der Konventionen und Innovationen inszeniert werden können.
Schlüsselelement des Künstlerbuchs ist die Kombination von visuellen, auditiven, haptischen, olfaktorischen und in manchen Fällen sogar gustatorischen Erfahrungen. Einige dieser Aspekte beziehen sich auf das Buch als sinnliches Objekt, andere auf seine kinetischen Eigenschaften. Ein Beispiel ist Ines von Ketelhodts HESPOS: Die Pergamin-Seiten erzeugen ein knisterndes Geräusch, wenn ein Leser das Buch durchblättert.
Dies ist nicht zu hören, wenn sich das Buch in einer Vitrine befindet. Sie müssen sich das selbst vorstellen.
Obwohl die verschiedenen Elemente in einem Künstlerbuch eine Mischung oder Einheit zu bilden scheinen, findet die Zusammenführung von Text und Bild nicht wirklich auf der Seite statt; die Symbiose wird verschoben; sie entsteht im Gehirn des Lesers. Assoziation und Interpretation werden dabei in den Bereich des Persönlichen und Intimen gestellt.
Was das Seitenlayout von Künstlerbüchern betrifft, so hat die Typografie auch viele nonverbale Aspekte, wie, zum Beispiel: die Position des Bildes in Bezug zur Position des Textes auf einer Seite, die Bedeutung der Wörter in Bezug auf die visuellen Details der Schrift, der Grad der Verflechtung von Text und Bild, oder die Schriftgröße.
Von Ketelhodts Fotografien erforschen Spannungsfelder, wie Realität – Imagination, Individuelles – Allgemeines, Augenblick – Dauer. Ihre Fotografien thematisieren fotografische Prinzipien und kognitive Probleme.
Betrachtet man das Verhältnis zwischen Bild und Text in von Ketelhodts Büchern, kommt man zu dem Schluss, dass einerseits die Texte Spannungen und Themen der Bilder unterstützen und dass andererseits viele dieser Texte ihre eigenen Bilder im Kopf des Lesers erzeugen. Diese Bilder können die Fotos ergänzen, ihnen widersprechen oder sie gar ersetzen. In Künstlerbüchern rufen Texte im Kopf des Lesers eine Reihe von Erinnerungen hervor, darunter Bilder, Klänge, Düfte, während die Bilder im Buch Klänge, Rhythmen, Musik und Silben hervorbringen, die alte Erinnerungen und neue Gedanken lebendig werden lassen.
Texte erzeugen Bilder und Bilder bringen Texte hervor – und dies alles in unserem Gehirn.
Die Texte werden auf vielfältige Weise manipuliert. Die Künstlerin verwendet Transparentpapier, extrem große Schriften, besonders große Holzbuchstaben – und so weiter: der Text verblasst, oder die Seiten zeigen blindgeprägte Buchstaben.
Auch bei den Fotos wurden teilweise die gleichen Methoden eingesetzt, insbesondere die Verwendung von Fragmenten, transparenten Papieren, und Unschärfe, – die Unschärfe wird erreicht durch Langzeitbelichtung und fotografieren nach dem Zufallsprinzip.
Können wir ein typografisches Äquivalent zu von Ketelhodts experimenteller Fotografie definieren?
Die Darstellung von Bewegung und Zeit (filmsequenzartig), auf die solche Experimente zu zielen scheinen, hat tatsächlich eine Entsprechung in der Typografie gefunden, die es schafft, eine eigene Art von 'Film' zu erzeugen, als Begleitung für die Fotografien.
Die Thematisierung fotografischer Prinzipien korreliert mit der Thematisierung typografischer Prinzipien. Fast unlesbare, unleserliche Texte verweisen auf Lese-Erfahrungen, Netzwerke im menschlichen Gehirn, Philosophie, und sie erzeugen Assoziationen.
Schlüsselelement des Künstlerbuchs ist die Kombination von visuellen, auditiven, haptischen, olfaktorischen und in manchen Fällen sogar gustatorischen Erfahrungen. Einige dieser Aspekte beziehen sich auf das Buch als sinnliches Objekt, andere auf seine kinetischen Eigenschaften. Ein Beispiel ist Ines von Ketelhodts HESPOS: Die Pergamin-Seiten erzeugen ein knisterndes Geräusch, wenn ein Leser das Buch durchblättert.
Dies ist nicht zu hören, wenn sich das Buch in einer Vitrine befindet. Sie müssen sich das selbst vorstellen.
Obwohl die verschiedenen Elemente in einem Künstlerbuch eine Mischung oder Einheit zu bilden scheinen, findet die Zusammenführung von Text und Bild nicht wirklich auf der Seite statt; die Symbiose wird verschoben; sie entsteht im Gehirn des Lesers. Assoziation und Interpretation werden dabei in den Bereich des Persönlichen und Intimen gestellt.
Was das Seitenlayout von Künstlerbüchern betrifft, so hat die Typografie auch viele nonverbale Aspekte, wie, zum Beispiel: die Position des Bildes in Bezug zur Position des Textes auf einer Seite, die Bedeutung der Wörter in Bezug auf die visuellen Details der Schrift, der Grad der Verflechtung von Text und Bild, oder die Schriftgröße.
Von Ketelhodts Fotografien erforschen Spannungsfelder, wie Realität – Imagination, Individuelles – Allgemeines, Augenblick – Dauer. Ihre Fotografien thematisieren fotografische Prinzipien und kognitive Probleme.
Betrachtet man das Verhältnis zwischen Bild und Text in von Ketelhodts Büchern, kommt man zu dem Schluss, dass einerseits die Texte Spannungen und Themen der Bilder unterstützen und dass andererseits viele dieser Texte ihre eigenen Bilder im Kopf des Lesers erzeugen. Diese Bilder können die Fotos ergänzen, ihnen widersprechen oder sie gar ersetzen. In Künstlerbüchern rufen Texte im Kopf des Lesers eine Reihe von Erinnerungen hervor, darunter Bilder, Klänge, Düfte, während die Bilder im Buch Klänge, Rhythmen, Musik und Silben hervorbringen, die alte Erinnerungen und neue Gedanken lebendig werden lassen.
Texte erzeugen Bilder und Bilder bringen Texte hervor – und dies alles in unserem Gehirn.
Die Texte werden auf vielfältige Weise manipuliert. Die Künstlerin verwendet Transparentpapier, extrem große Schriften, besonders große Holzbuchstaben – und so weiter: der Text verblasst, oder die Seiten zeigen blindgeprägte Buchstaben.
Auch bei den Fotos wurden teilweise die gleichen Methoden eingesetzt, insbesondere die Verwendung von Fragmenten, transparenten Papieren, und Unschärfe, – die Unschärfe wird erreicht durch Langzeitbelichtung und fotografieren nach dem Zufallsprinzip.
Können wir ein typografisches Äquivalent zu von Ketelhodts experimenteller Fotografie definieren?
Die Darstellung von Bewegung und Zeit (filmsequenzartig), auf die solche Experimente zu zielen scheinen, hat tatsächlich eine Entsprechung in der Typografie gefunden, die es schafft, eine eigene Art von 'Film' zu erzeugen, als Begleitung für die Fotografien.
Die Thematisierung fotografischer Prinzipien korreliert mit der Thematisierung typografischer Prinzipien. Fast unlesbare, unleserliche Texte verweisen auf Lese-Erfahrungen, Netzwerke im menschlichen Gehirn, Philosophie, und sie erzeugen Assoziationen.
Ines von Ketelhodt, Times Square (2014) |
Einige von Ines von Ketelhodts verwendete Texte bestehen aus Nachrichten, einige listen nur Namen von Schiffen oder Bäumen auf, während andere Fragmente von Gedichten, Romanen und Essays sind – alle werden von ihr ausgewählt, um eine Kette von Assoziationen in Gang zu setzen, die die Macht haben, Vorstellungen vom kontrollierbaren Buch zu destabilisieren.
Typografie und Fotografie verschmelzen in diesen Büchern nicht wirklich, es entstehen Parallelwelten für den Leser und Betrachter. Die meisten typografischen Formen haben die Absicht, den Leseprozess zu verlangsamen, Texte in Wörter und Silben oder sogar einzelne Buchstaben aufzuteilen. Oft sind Texte in einer Zeile auf einer Seite angeordnet und in manchen Fällen erscheint nur ein Wort auf einer Seite.
Diese Atomisierung von Texten wird verwendet, um das Voranschreiten der Zeit zu verlangsamen, im Gegensatz zu dem, was in den Fotos geschieht.
Wo die Anordnung der Fotografien auf die Wirkung eines Films, einer Bewegung, eines fortgesetzten Erzählens, des Fortschreitens der Zeit abzielt, werden die Texte auf vielen Seiten zerlegt, um eine Interpretation zu erzwingen, den Leser zum Fühlen zu zwingen: schau, berühre, höre und rieche vielleicht, bevor der Moment kommt, in dem Gedanken diese ersten Eindrücke überdecken und eine Interpretation aufbauen, die nur auf dem Text basiert.
Die nonverbalen Merkmale der Typografie in den Künstlerbüchern von Ines von Ketelhodt sollen dafür sorgen, dass alle Aspekte ihrer Bücher offen diskutiert werden.
In den ersten Werken von Ines von Ketelhodt dominiert die Farbe Schwarz, es gibt viel Grau und zugegebenermaßen kommen bald Rot oder Blau dazu, aber wer das ganze Werk betrachtet, muss zu dem Schluss kommen, dass seit der Jahrhundertwende in ihren Büchern eine Explosion der Farbe stattgefunden hat – bis hin zur Serie Farbwechsel, wo Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot und Schwarz die Palette mit einer Lebendigkeit, Präsenz und Tiefe dominieren, die fast Zeugnis ablegen von Lebensfreude.
Ich wollte die festliche Farbpalette heute – bei dieser festlichen Veranstaltung – für einen Moment betonen.
Ein Aspekt, den meine Kollegen und ich im Katalog nicht erwähnt haben, ist, dass Ines von Ketelhodt einen großen Sinn für Humor hat. (Mit ihr wird es Ihnen nicht langweilig.) Sehen Sie sich die Fotos am Ende des Katalogs an – ein ganzer Fries von Portraits über dem Anhang – auf fast allen diesen Fotos wird sie lachend dargestellt, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und wenn Sie sie treffen, wie ich, besonders auf Buchmessen und bei Präsentationen, lange bevor man ihren Tisch sehen kann, lange bevor ihre Bücher in Reichweite kommen, werden Sie ihr perlendes Lachen hören.
Wenn Sie sich die bunten Bücher in den Vitrinen ansehen, sollten sie auch versuchen, dieses Lächeln zu hören. Es wird ihre Fantasie zum blühen bringen, und ihre Bewunderung für Ines nur noch steigern.
Vielen Dank.
Typografie und Fotografie verschmelzen in diesen Büchern nicht wirklich, es entstehen Parallelwelten für den Leser und Betrachter. Die meisten typografischen Formen haben die Absicht, den Leseprozess zu verlangsamen, Texte in Wörter und Silben oder sogar einzelne Buchstaben aufzuteilen. Oft sind Texte in einer Zeile auf einer Seite angeordnet und in manchen Fällen erscheint nur ein Wort auf einer Seite.
Diese Atomisierung von Texten wird verwendet, um das Voranschreiten der Zeit zu verlangsamen, im Gegensatz zu dem, was in den Fotos geschieht.
Wo die Anordnung der Fotografien auf die Wirkung eines Films, einer Bewegung, eines fortgesetzten Erzählens, des Fortschreitens der Zeit abzielt, werden die Texte auf vielen Seiten zerlegt, um eine Interpretation zu erzwingen, den Leser zum Fühlen zu zwingen: schau, berühre, höre und rieche vielleicht, bevor der Moment kommt, in dem Gedanken diese ersten Eindrücke überdecken und eine Interpretation aufbauen, die nur auf dem Text basiert.
Die nonverbalen Merkmale der Typografie in den Künstlerbüchern von Ines von Ketelhodt sollen dafür sorgen, dass alle Aspekte ihrer Bücher offen diskutiert werden.
In den ersten Werken von Ines von Ketelhodt dominiert die Farbe Schwarz, es gibt viel Grau und zugegebenermaßen kommen bald Rot oder Blau dazu, aber wer das ganze Werk betrachtet, muss zu dem Schluss kommen, dass seit der Jahrhundertwende in ihren Büchern eine Explosion der Farbe stattgefunden hat – bis hin zur Serie Farbwechsel, wo Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot und Schwarz die Palette mit einer Lebendigkeit, Präsenz und Tiefe dominieren, die fast Zeugnis ablegen von Lebensfreude.
Ich wollte die festliche Farbpalette heute – bei dieser festlichen Veranstaltung – für einen Moment betonen.
Ein Aspekt, den meine Kollegen und ich im Katalog nicht erwähnt haben, ist, dass Ines von Ketelhodt einen großen Sinn für Humor hat. (Mit ihr wird es Ihnen nicht langweilig.) Sehen Sie sich die Fotos am Ende des Katalogs an – ein ganzer Fries von Portraits über dem Anhang – auf fast allen diesen Fotos wird sie lachend dargestellt, mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und wenn Sie sie treffen, wie ich, besonders auf Buchmessen und bei Präsentationen, lange bevor man ihren Tisch sehen kann, lange bevor ihre Bücher in Reichweite kommen, werden Sie ihr perlendes Lachen hören.
Wenn Sie sich die bunten Bücher in den Vitrinen ansehen, sollten sie auch versuchen, dieses Lächeln zu hören. Es wird ihre Fantasie zum blühen bringen, und ihre Bewunderung für Ines nur noch steigern.
Vielen Dank.
Stefan Soltek, Viola Hildebrand-Schat en Ines von Ketelhodt (31 maart 2019) |
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